Tätigkeitsbericht Dezember ’22: Es wird kalt

In Griechenland ist der Winter eingekehrt. Während Ende Oktober das Thermometer noch 27 Grad anzeigte, wurde es danach von Woche zu Woche kälter. Der kälteste Monat des Jahres in Athen und Umgebung ist der Januar. Nach wie vor verbringen wir jeden Tag zwei Stunden an den drei unterschiedlichen Geflüchtetenunterkünften (Malakasa, Ritsona und Oinofyta). Neben den drei Geflüchtetencamps parken wir den LKW und bauen die Zelte auf, um den Frauen einen Ort zu bieten, an dem sie zusammensitzen, sich austauschen und sich im medizinischen Bereich beraten lassen können. Die Kinder haben in der Zeit ihren eigenen Bereich, in dem es Spielzeuge und Malutensilien gibt und wo sie miteinander oder mit der Crew herumtoben oder einfach ein Buch lesen können.

In jedem der Camps sind ganz unterschiedliche Voraussetzungen, unterschiedliche Frauen und Kinder, Sprachen, Geschichten und Bedürfnisse. Die Crew versucht stets im Austausch mit den Frauen einen Ort zu schaffen, an dem es möglich ist eine Auszeit von dem bedrückenden Alltag im Camp zu finden. Mithilfe der Übersetzerinnen Susan, Yalda und Fartuna, die tatkräftig den ROSA Space unterstützen, kann die Crew mit den Frauen und Kindern kommunizieren und die Arbeit immer wieder reflektieren und neu gestalten. Diese Zusammenarbeit ist besonders wichtig und wird sehr wertgeschätzt. Wir versuchen gerade häufiger Gespräche und Treffen mit den Übersetzerinnen zu organisieren, um einen ständigen Austausch über die Bedürfnisse der Frauen und die Angebote von ROSA zu ermöglichen. So wird deutlich welche Themen sich für Gesprächskreise und Vorträge gewünscht werden. In den letzten Monaten entstanden aus den konkreten Wünschen der Frauen Workshops zu Selbstverteidigung, Verhütung, Menstruationszyklus und Stressmanagment. Außerhalb dieser Workshops, haben alle zusammen getanzt, gestrickt, gehäkelt und Schmuck gebastelt. Es wurde der Wunsch geäußert, dass auch zusammen gekocht wird und die Lust auf Sandwiches war groß. So wurde mithilfe eines Sandwichmakers ein leckerer Snack gezaubert.

Ein besonderes Highlight in den letzten Monaten war die Zusammenarbeit mit Clowns Without Borders – Switzerland eine Organisation aus der Schweiz, die mit ihrer Perfomance vor allem die Kinder zum Lachen brachten. Auch die Crew und die Frauen wurden ganz magisch angezogen, denn die Perfomance erfüllte den Space mit Humor und positiver Energie. Das Engagement und die emotionale Ausdrucksfähigkeit der Artist*innen war beeindruckend.

Auch an Weihnachten und Neujahr wurde der Saferspace aufgebaut. Es gab ein gemeinsames Neujahrsessen, zu dem sowohl die Crew als auch die Frauen unterschiedliche Köstlichkeiten mitgebrachten und so wurde gemeinschaftlich gefeiert.

 

In den letzten Wochen wurde es zunehmend schwieriger den ROSA Saferspace draußen zu gestalten. Die Temperaturen sinken zunehmend und es wird früher dunkel. Auch die Erkältungszeit bricht ein und so kommt es vor, dass ein Teil der Crew ausfällt und die Arbeit am Camp und drum herum anstrengender und herausfordernder wird. Im medizinischen Bereich gibt es immer mehr Frauen und Kinder, die Erkältungssymptome aufzeigen und behandelt werden müssen. Dazu bot es sich an, einen Workshop über Erkältungen zu veranstalten und Informationen über Hausmittel auszutauschen, mit denen einfache Erkältungssymptome behandelt werden können. Wir versuchen gerade gemeinsam herauszufinden, welche Mittel einfach zu organisieren sind und zu einer schnellen Verbesserung führen. Leider ist die medizinische Versorgung innerhalb der Camps sehr dürftig und auch die Crew hat nur beschränkte Möglichkeiten. Daraus ergeben sich wieder neue Schwierigkeiten und Herausforderungen. Ein Teil der medizinischen Arbeit von ROSA ist es, Überweisungen an geeignete Praxen, NGOs und Krankenhäuser zu tätigen. Hierfür ist die Netzwerkarbeit besonders wichtig. Da besonders im Camp Ritsona der Bedarf an medizinischer Beratung sehr groß ist, wurde eine Warteliste und Terminvergabe eingeführt, um strukturierter arbeiten zu können sowie mehreren Menschen eine Beratung zu ermöglichen.

Um den Frauen auch in den kalten Jahreszeiten weiterhin einen warmen Rückzugsort anzubieten, soll es neben dem Truck ein beheizbares Zelt geben. Durch die Spendenaktion: „Wir sammeln für unser Winter-Zelt“ wurde genug Geld gesammelt, um ein 20m² großes, aufblas- und beheizbares Zelt zu finanzieren. Durch die Kooperationen mit den Organisationen Wir packen’s an und dem Hope Café in Athen, konnte das Zelt nach Athen gebracht und dort abgeholt werden. Schnell war klar, dass durch die Größe, den Aufbau und die technischen Möglichkeiten, das Zelt erst einmal am Haus aufgebaut werden musste, um sicher zu gehen, dass der Aufbau auch im Safer Space reibungslos verläuft. Es stellte sich heraus, dass die Elektrizität im Truck nicht stark genug ist, um das Zelt aufzublasen und zu beheizen. Um dieses Problem zu lösen, muss der Truck umgebaut werden. Zwischenzeitlich wurde der Safer Space in den Truck verlagert, doch die Raumkapazitäten waren beschränkt und somit war es nicht immer möglich allen Frauen und Kindern einen Platz im Warmen anzubieten. Wir brachten zusätzlich Decken, Wärmflaschen und dicke Socken mit zu den Camps. Jetzt haben wir einen Generator organisiert, der sowohl das Zelt aufbaut als auch das Heizsystem zum Laufen bringt. Als wir das Zelt das erste Mal aufbauten, war die Aufregung groß, doch alles lief nach Plan. Mittlerweile ist das gelbe Zelt zu einem festen Bestandteil des Rosa Safer Space geworden: farblich sticht es direkt hervor, auch neue Frauen sowie Kinder zieht es an. Alle freuen sich über einen gemütlichen, windgeschützten Raum, in dem es Platz für Gespräche bei Tee und Kaffee gibt und gemeinsame Workshops veranstaltet werden. Der bisher noch sehr eintönige Innenraum wird in der kommenden Zeit zusammen dekoriert und z.B. mit bunten Tüchern behängt werden – dabei wird der Kreativität freien Lauf gelassen.

Zur Zeit sammelt die Crew mehr Informationen über die Camps und versucht herauszufinden, inwiefern die Menschen warme Kleidung, warmes Essen und medizinische Versorgung erhalten und mit welchen Organisationen eine Zusammenarbeit wichtig wäre. Besonders ist hierbei die Situation des Camps in Oinofyta, welches seit gut vier Wochen für Bauarbeiten geschlossen wurde. Wegen der Schließung zogen alle dort Lebenden in umliegende Camps, vor allem in das Camp bei Malakasa. Bisher gibt es keine konkreten Informationen darüber, inwieweit das Camp Oinofyta jemals wieder geöffnet und in welcher Form dies passieren könnte. Gerade vor wenigen Tagen erreichten die Crew nun auch die Annahmen, dass Ähnliches mit dem Camp bei Malakasa passieren kann: mehrere große Reisebusse haben bereits Campbewohner*innen in Camps an die türkische oder albanische Grenze transportiert. Zu weiteren Transporten kann es in naher Zukunft ebenfalls kommen. Es bleibt abzuwarten und die Situation im engen Austausch mit den Frauen, neu anzupassen, allerdings auch festzuhalten, welcher weiteren vor allem psychischen Belastung, diese Menschen hier, immer wieder neu ausgesetzt werden.

Immer mehr Frauen hören von ROSA und besuchen den ROSA Safer Space. Die Frauen, die regelmäßig zu ROSA kommen, informieren andere Frauen in den Camps über den Safer Space. Auch durch die Netzwerkarbeit mit anderen Organisationen werden mehr Frauen auf ROSA aufmerksam, kommen vorbei und werden ein Teil der Gemeinschaft. Gleichzeitig lernt die Crew täglich mehr über die Bedürfnisse der Frauen und die Umstände in den Camps und entwickelt das Projekt auf dieser Wissensgrundlage weiter. Alle sechs Wochen findet dafür ein Evaluationstag statt. An diesem wertet die Crew die letzten Wochen aus, bearbeitet Themen und Probleme und visioniert, wie sich das Projekt fortentwickeln soll. Durch die Spenden sowie die Unterstützung und enge Zusammenarbeit mit allen Engagierten aus Deutschland ist es möglich, dass das Projekt immer weiter wächst und die Ideen und Wünsche der Frauen auf der Flucht immer mehr in die Planung integriert werden können.